Sinkende Geburtenzahlen: Kindertagesbetreuung im Umbruch
Von einer Zeitenwende ist in der aktuellen Ausgabe des Fachkräftebarometers Frühe Bildung die Rede: Nach Jahren des Ausbaus der Kindertagesbetreuung weisen sinkende Geburtenzahlen auf ein Ende des Wachstums hin. Das kann Chancen bergen, doch muss der Wandel beobachtet und begleitet werden, erklären die Fachleute.
Mehr Kinder, mehr Plätze und Kitas, mehr Personal und steigende Elternbedarfe: In den letzten zwanzig Jahren ging es für die Kita-Landschaft in Deutschland bergauf, resümieren die Autor*innen der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF) in ihrem Fachkräftebarometer 2025. Der stetige Mehrbedarf habe Belastbarkeitsgrenzen aufgezeigt und Politik, Träger und Kommunen unter Druck gesetzt. Doch scheint diese Entwicklung nun durch deutlich sinkende Geburtenzahlen gebremst. Wie die Zahlen aussehen, hier im Überblick.
Betreuung in Kindertageseinrichtungen
- Höherer Geburtenrückgang in Ostdeutschland: Die Geburtenzahlen sind im Osten Deutschlands seit einem Höchststand im Jahr 2016 um 29 % gesunken. Im Westen setzte der Rückgang erst nach 2021 ein. Seitdem hat sich die Zahl der Neugeborenen dort um 14 % verringert.
- Unterschiedliche Arbeitskräfteentwicklung: Während in Westdeutschland das Personal zwischen 2022 und 2024 um 7 % gewachsen ist, wurden im Osten nur wenige neue Stellen geschaffen (plus 2 %). In einigen ostdeutschen Bundesländern hat es sogar leichte personelle Rückgänge gegeben. Bundesweit arbeiteten in 2024 rund 895.000 Personen und damit etwa 54.000 mehr als 2022.
- Fachkraft-Kind-Quote: Im Westen ist eine Fachkraft im Durchschnitt für 3,4 Krippenkinder (unter drei Jahren) und 7,0 Kindergartenkinder (ab drei Jahren) zuständig. Im Osten ist der Personal-Kind-Schlüssel mit 5,3 Krippen- und 9,6 Kindergartenkindern pro Fachkraft deutlich schlechter.
- Nachholbedarf bei Fachkraftquote in Westdeutschland: Im Schnitt hat 87 % des ostdeutschen Kita-Personals einen Abschluss auf DQR-6-Niveau (Fachschul- oder Hochschulabschluss), im Westen sind es nur 68 %. Unterhalb der empfohlenen Fachkraftquote von 72,5 % liegen Bayern (54 %), Hamburg (63 %), Baden-Württemberg (68 %), Bremen (69 %) und Niedersachsen (70 %).
Kindertagespflege auf dem Rückzug
- Die Zahl der Kindertagespflegepersonen hat sich 2020 bis 2024 von 44.800 auf 39.700 verringert. Das entspricht einem Minus von 11 %, obwohl Betreuungswünsche von Eltern unter Dreijähriger häufig noch nicht gedeckt sind. Der Rückgang betrifft alle Bundesländer, jedoch überproportional ostdeutsche Länder (minus 30 %).
Ganztagsangebote für Grundschulkinder
- 2024 nahmen knapp 1,9 Millionen Grundschulkinder ein Ganztagsangebot in Schulen, Horten oder altersgemischten Kindertageseinrichtungen in Anspruch. Damit liegt die Beteiligungsquote bundesweit bei 57 % mit regionalen Unterschieden: Während im Osten 88 % der Grundschulkinder ganztägig betreut wurden, waren es im Westen nur 48 %. Um alle Elternbedarfe zu decken, müssten bis zur vollständigen Umsetzung des Rechtsanspruchs bis Ende des Jahrzehnts bundesweit zwischen 267.000 und 298.000 zusätzliche Plätze geschaffen werden.
- In den meisten Bundesländern gibt es keine verbindlichen Vorgaben für die berufliche Qualifikation oder den Personal-Kind-Schlüssel: Knapp jede fünfte Kraft im schulischen Ganztag verfügt über keinen Berufsabschluss, 22 % des Personals sind geringfügig beschäftigt und 13 % arbeiten weniger als zehn Stunden pro Woche.
Chancen für Qualitätsentwicklung
Der Geburtenrückgang betrifft insbesondere Ostdeutschland. Daraus ergibt sich eine gegenläufige Entwicklung in beiden Landesteilen, so die Fachleute. Während im Westen vorerst weiterhin Kita-Plätze und Fachkräfte fehlten, sinke in Ostdeutschland bereits jetzt die Nachfrage. In westlichen Bundesländern rechnen die Autor*innen aufgrund der ungedeckten Betreuungsbedarfe bis Anfang der 2030er-Jahre noch nicht mit flächendeckenden Kapazitätsüberhängen. Auch Ganztagsangebote für Grundschulkinder müssten zunächst noch weiter ausgebaut werden, da die entsprechende Altersgruppe erst nach Umsetzung des Rechtsanspruchs kleiner werde. Insgesamt berge der nachlassende Ausbaudruck Chancen auf eine Qualitätsverbesserung, doch brauche die Entwicklung eine aufmerksame Beobachtung, so die Expert*innen.
„Die Nachfrage nach Kita-Plätzen und Fachkräften wird in den kommenden Jahren regional stark variieren und die Situation für Träger und Kommunen schwer planbar machen. Es ist wichtiger denn je, diese Entwicklung kleinteilig zu beobachten, damit Verantwortliche angemessen und rechtzeitig reagieren können.“
„Der nachlassende Ausbaudruck eröffnet die Chance, die Kita-Qualität in allen Bundesländern entsprechend fachlich empfohlener Standards anzuheben. Dies ist dringend notwendig, um Kindern bundesweit gleiche Bildungschancen und Fachkräften vergleichbare Rahmenbedingungen für ihre Arbeit zu ermöglichen.“
Hintergrund
Das Fachkräftebarometer Frühe Bildung der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF) liefert alle zwei Jahre auf Basis amtlicher Daten Informationen über Personal, Arbeitsmarkt, Erwerbssituation sowie Ausbildung und Qualifizierung in der Frühpädagogik sowie im Ganztag.
Die Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte wurde 2008 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und der Robert Bosch Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Jugendinstitut initiiert. WiFF wird in Kooperation mit dem Forschungsverbund DJI/TU Dortmund durchgeführt und aus Bundesmitteln gefördert.
Quellen
Pressemeldung des Deutschen Jugendinstitutes vom 05. November 2025: Weiteres Personalwachstum in westdeutschen Kitas – Stagnation im Osten
Fachkräftebarometer Frühe Bildung;
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