Zwei Schulkinder sitzen in der Schulklasse und essen ihr Frühstück aus der Brotdose.
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Folgekosten von Kinderarmut wirken wie „unsichtbare Steuer“

Obwohl Fortschritte bei der Bekämpfung von Kinderarmut gemacht wurden, ist in der EU fast jedes vierte Kind von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Kinderarmut belastet die nationalen Haushalte der Länder erheblich. Die Kinderhilfsorganisation Save the Children spricht von einer „unsichtbaren Steuer“ für die Gesellschaft.

In Armut aufwachsende Kinder sind weniger gesund, schließen seltener die Schule ab und finden als Erwachsene seltener einen Arbeitsplatz, so die Fachleute von Save the Children in ihrem Bericht zum Status Quo der Kinderarmut in Europa. Der Bericht betrachtet beispielhaft 16 Länder, darunter neun EU-Staaten (Deutschland, Finnland, Irland, Italien, Litauen, Rumänien, Polen, Schweden, Spanien) und sieben weitere europäische Länder (Norwegen, Ukraine und die Balkanstaaten Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Serbien). Insgesamt sind EU-weit 19,5 Millionen Kinder von Armut betroffen.

Aktionspläne zur Bekämpfung von Armut bei Kindern

Mit der 2019 auf den Weg gebrachten European Child Guarantee hat sich die Europäische Union zum Ziel gesetzt, die Zahl der in Armut lebenden Kinder bis 2030 deutlich zu reduzieren. Dazu sollten die Mitgliedsstaaten ab 2021 entsprechende Aktionspläne umsetzen. Zu den Ergebnissen der Bemühungen nennt der Bericht folgende Zahlen:

  • Seit 2019 ist die Zahl der armutsgefährdeten Kinder um insgesamt 446.000 gestiegen, das sind durchschnittlich 240 Kinder täglich. Wenn die EU ihr Ziel bis 2030 erreichen wollte, müsste sie 5,45 Millionen Kinder – oder jeden Tag 2.500 Kinder – aus der Armut holen.
  • Die Kinderarmutsquote liegt im EU-Durchschnitt bei 24,2 Prozent. Deutschland liegt mit 22,9 Prozent etwas darunter. Das EU-Mitglied mit der höchsten Kinderarmutsquote ist Bulgarien (35,1 Prozent), gefolgt von Spanien (34,6 Prozent) und Rumänien (33,8 Prozent).
  • Armut wird oftmals vererbt. In Deutschland dauert es Schätzungen zufolge sechs Generationen, bis in einer einkommensarmen Familie das nationale Median-Einkommen erreicht wird. Besonders oft sind Kinder von Alleinerziehenden, Familien mit drei und mehr Kindern oder Kinder mit Migrationsgeschichte betroffen.
  • Die Ursachen sind vielfältig: Steigende Lebenshaltungskosten, unzureichende Sozialsysteme und nicht aufeinander abgestimmte Angebote. Armut ist häufig eine tief verwurzelte Folge systemischer Ausgrenzung.

Armut kostet

Anhaltende Kinderarmut belastet die nationalen Haushalte und die Produktivität der Länder, so der Bericht. In den OECD-Ländern wird die jährliche wirtschaftliche Belastung durch Kinderarmut auf 3,4 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) geschätzt. Kinderarmut sei damit nicht nur eine soziale Ungerechtigkeit, sondern erhöhe den Druck auf die Sozialsysteme und beeinträchtige das Wirtschaftswachstum. Kinderarmut wirke deshalb wie eine „unsichtbare Steuer“.

Lücke zwischen Verpflichtung und Handeln

Alle europäischen Länder haben sich verpflichtet, mit Instrumenten und Maßnahmen Kinderarmut zu bekämpfen. Doch fehlten den meisten EU-Mitgliedstaaten konkrete Ziele oder Maßnahmen, Strategien seien veraltet oder wirkten isoliert. Die Analyse der Maßnahmen in den Ländern zeigt, dass insbesondere Programme zur Einkommensunterstützung und gut abgestimmte monetäre Leistungen Armutsquoten senken. Die Fachleute halten daher strategische Ausgaben für Kinder für eine der wirksamsten wirtschaftspolitischen Maßnahmen, da sie künftige Abhängigkeiten vom Staat verringern. Save the Children rechnet beispielsweise vor, dass jeder Euro, der in Schulmahlzeiten investiert wird, einen Nutzen von 7 bis 34 Euro generieren kann.

Hintergrund: Berechnung von Armut – Der AROPE-Indikator

Für die Berechnung von Armut und sozialer Ausgrenzung nutzt die EU den sogenannten AROPE-Indikator. Dieser betrachtet drei Kriterien, von denen eines genügt, um als von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht zu gelten:

  1. die relative Einkommensarmut (Menschen, die über weniger als 60 Prozent des Median-Einkommens verfügen),
  2. schwere materielle und soziale Entbehrungen (Menschen können sich mindestens sieben von 13 bestimmten Dingen nicht leisten, wie z. B. angemessene Nahrung, Internetzugang, Kleidung oder unerwartete Ausgaben),
  3. geringe Arbeitsintensität (die Erwachsenen im Haushalt sind über das Jahr hinweg höchstens 20 Prozent ihres Potenzials in Arbeit).

Quellen

Weiterführende Informationen

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