Ganztagsschule für alle – Voraussetzungen für flächendeckende Angebote
Ein bedarfsgerechter Ausbau von Ganztagsschulen stärkt Bildungschancen, besonders für benachteiligte Kinder. Doch nehmen gerade diese Kinder Ganztagsangebote am seltensten wahr, wie eine Untersuchung der Universität Duisburg-Essen zeigt. Welche Rahmenbedingungen es für einen flächendeckenden Zugang braucht, stellt der aktuelle IAQ-Report vor.
Wissenschaftler*innen des Instituts für Arbeit und Qualifikation (IAQ) an der Universität Duisburg-Essen haben die Ganztagsförderung an Grundschulen in den Mittelpunkt ihrer aktuellen Untersuchungen gestellt. Forschungsfrage war, ob diese Ganztagsangebote ein bildungs- und sozialpolitisches Konzept für mehr Chancengleichheit sein können.
Teilhabe von Kindern an Ganztagsförderung in Grundschulen
Im Durchschnitt der Altersgruppe 6 bis unter 12 Jahre nehmen fast 38 % aller Kinder eine Ganztagsförderung wahr. Der IAQ-Bericht zeigt aber Teilhabe-Unterschiede auf. So nehmen Kinder aus bildungsbenachteiligten Familien oder aus Familien mit Migrationshintergrund deutlich seltener an Ganztagsangeboten teil:
- Wird nach Bildungsabschluss der Eltern differenziert, sind es 30,4 % Kinder von Eltern mit niedrigem Bildungsabschluss, 36,1 % Kinder von Eltern mit mittlerem Bildungsabschluss und 41,7 % Kinder von Eltern mit hohem Bildungsabschluss.
- Wird der Migrationshintergrund einbezogen, nehmen 40,4 % Kinder ohne Migrationshintergrund Ganztagsangebote wahr, im Gegensatz zu 34,1% der Kinder mit Migrationshintergrund.
Elternbeiträge als Zugangshürde
Als eine der Zugangshürden sieht das IAQ die Elternbeiträge für Ganztagsangebote, die in den Ländern höchst unterschiedlich gestaltet sind. Während der gebundene Ganztag in der Regel kostenfrei ist, werden Beiträge für offene Ganztagsangebote von Kommunen und Trägern festgelegt. Diese kommunale Zuständigkeit führt zu erheblichen Unterschieden auch innerhalb der Bundesländer. Exemplarische Untersuchungen in Kommunen zeigen, dass zum Beispiel einkommensabhängige Staffelungen der Elternbeiträge nicht selbstverständlich sind. Dabei sind Elternbeiträge gerade bei geringen Einkommen deutlich häufiger ein Grund für die Nicht-Nutzung als bei höheren Einkommen.
Exklusionsrisiken mindern
Insgesamt werde deutlich, dass kurz vor Inkrafttreten des Rechtsanspruchs eine allgemeine Zugänglichkeit von Ganztagsangeboten nicht flächendeckend gewährleistet ist, so ein Fazit der Fachleute. Gerade wenn Plätze knapp sind, entstehen Exklusionsrisiken im Zugang zu Ganztagsangeboten, von denen Kinder mit Migrationshintergrund sowie Kinder aus Familien mit niedrigem Bildungsgrad oder mit geringem Einkommen besonders betroffen sind.
Organisationsmodelle heterogen
Die Analyse zeigt, dass angesichts der Kulturhoheit der Länder die Organisationsmodelle des schulintegrierten Ganztages heterogen ausgestaltet sind. In den Ländern lassen sich drei Grundtypen unterscheiden, die häufig auch als Mischformen Anwendung finden:
- Ganztagsschulen stellen ein ergänzendes Bildungsangebot bereit, z. B. in Form von Förderangeboten oder Arbeitsgemeinschaften; häufig werden die Angebote am Nachmittag von außerschulischen Trägern organisiert.
- Ganztagsförderung findet an Schulen auf der Basis landesrechtlicher Regelungen statt.
- Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung wird vorwiegend im Kitasystem erfüllt; viele Kinder besuchen nach der Ganztagsschule einen Hort.
Bei den Modellen lasse sich sowohl ein gutes Miteinander der Professionen als Gesamtteam aber auch ein Nebeneinander mit einer deutlichen Abgrenzung zwischen den Professionen und Systemen erkennen.
Kooperative Förderung „aus einer Hand“ für alle Kinder
Die bildungs- und sozialpolitischen Potenziale der Ganztagsförderung können aber nur dann voll ausgeschöpft werden, wenn alle Kinder Zugang zu einer kooperativen Förderung haben. Dafür müssen die Kompetenzen von Schule und Kinder- und Jugendhilfe miteinander verknüpft werden zu einer Förderung „aus einer Hand“ und die Finanzierung Exklusionsrisiken entgegenwirken, so das Fazit des IAQ.
Quelle
- Sybille Stöbe-Blossey, Stella Glaser, Iris Nieding und Corin Wimmers: Ganztagsförderung an Grundschulen: Ein bildungs- und sozialpolitisches Konzept für mehr Chancengleichheit? Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ), Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen, IAQ-Report Bd. 2025, H. 11 (14.11.2025)