Ralf Blauert, Vorsitzender des Verbandes deutscher Schul- und Kitacaterer e. V.
Was macht für Sie eine gelungene Kita- und Schulverpflegung aus?
Für mich persönlich ist die Verpflegung gelungen, wenn sie den Kindern schmeckt, wenn sie angenommen, gelobt und gern gegessen wird. Das sind meine Kriterien, die an vorderster Front stehen.
Vor welchen Herausforderungen steht Ihre Branche aktuell?
Der größte Schwerpunkt unserer Arbeit konzentriert sich nach wie vor auf die inflationsbedingt gestiegenen Preise. Wir müssen im Lebensmittelmarkt immer noch mit einer Preissteigerung von 4 bis 6 % umgehen. Bei Kommunen und Eltern sehen wir allerdings eine sehr geringe Bereitschaft, diese Preissteigerungen mitzugehen. Dieses Akzeptanzproblem wird uns weiter begleiten, wenn wir uns die Mindestlohndebatte und die damit verbundenen Preissteigerungen anschauen. Zwar wird mit der Senkung der Mehrwertsteuer dagegengehalten – diese Optionen liegen aber noch in weiter Zukunft und sind nicht planbar, so dass sie momentan eher für Unruhe sorgen.
Wie fangen Unternehmen diese inflationsbedingten Preissteigerungen bislang auf?
Ich weiß aus unserer Verbandsarbeit, dass alle Betriebe ihre Verträge seit Beginn der Inflation anpassen mussten. Viele Caterer hatten dabei große Probleme, wenn die Bereitschaft auf Seiten der Vertragspartner dafür fehlte. Vielfach blieb nur die Möglichkeit, bestehende Verträge auslaufen zu lassen. Manche Unternehmen mussten länger als ein Jahr warten und die höheren Lebensmittelpreise selbst tragen. Es hat insgesamt zu lange gedauert, bis neue Verträge ausgehandelt werden konnten, die inflationsbedingte Preissteigerungen angemessen und flexibel berücksichtigen. Das aber ist notwendig, um die vertraglich vereinbarte Qualität auch verbindlich liefern zu können.
Wie hat sich dieser Prozess auf die Beteiligten ausgewirkt?
Das war eine Lernkurve, die sowohl Caterer als auch Kommunen durchlaufen mussten. Diejenigen Kommunen, die sich gegen eine Preisanpassung gewehrt haben, mussten dann bitter feststellen, dass nach dem Auslaufen der Verträge keine Caterer mehr zur Verfügung standen, die zu den bisherigen Preisen arbeiten können. Aber ich denke, das haben jetzt alle verstanden.
Welche Rahmenbedingungen brauchen Kita- und Schulcaterer, um gesunde und nachhaltige Mahlzeiten anzubieten?
Wir suchen einen Modus, der bundesweit einheitliche Standards herstellt. Wir sehen in den Ländern und Kommunen sehr heterogene Verpflegungsstrukturen und sehr unterschiedliche Vorstellungen der Träger, welche Leistungen wir Caterer zu erfüllen haben und was davon über den Mahlzeitenpreis gedeckt ist. So finanzieren etwa manche Kommunen die Personalkosten für die Ausgabekräfte in den Schulen, andere Kommunen erwarten, dass wir Caterer das finanzieren, ohne den Mahlzeitenpreis entsprechend anzupassen.
Mit den DGE-Qualitätsstandards für die Verpflegung in Kitas und Schulen steht bereits ein Standard zur Verfügung. Was genau braucht es darüber hinaus?
Wir sind uns in der Branche einig, dass die DGE-Qualitätsstandards für uns alle Gültigkeit haben und sie die beste Lösung für gesundheitsförderliches Kita- und Schulessen sind. Was uns aber fehlt, sind bundesweit einheitliche Standards, die transparent machen, wie sich Mahlzeitenpreise zusammensetzen und wie sich Kosten für Wareneinsatz, Zubereitung, Transport, Ausgabe, Reinigung usw. auf die Preise auswirken. Vielen Verwaltungsangestellten ist nicht klar, welchen Anteil die Mehrwertsteuer am Mahlzeitenpreis hat, für uns Unternehmen ist das aber eine wichtige Größe. Wir möchten damit zu einer gewissen Vereinheitlichung von Verpflegungsstrukturen beitragen und unsere Arbeitsbedingungen auf ein vergleichbares Niveau heben. Das würde übrigens auch für die Eltern mehr Transparenz schaffen, denn je nach Kommune zahlen sie sehr verschiedene Preise für die Verpflegung ihrer Kinder. Das alles muss nicht notwendigerweise die DGE errechnen, aber es passt gut in die DGE-Qualitätsstandards, weil sich relevante Stellen darauf beziehen.
Was versprechen Sie sich davon?
Es würde insbesondere bei unseren Vertragspartnern in den Kommunen zu einem höheren Verständnis beitragen, unter welchen Bedingungen wir arbeiten. Wir versuchen seit Jahren, als Partner der Kitas und Schulen angesehen zu werden, genauso wie etwa die Jugendhilfe oder andere außerschulische Akteure. Wir werden aber häufig ausschließlich als Dienstleister behandelt, der zu liefern hat, unter welchen Umständen auch immer. Das ist kein Verhältnis auf Augenhöhe, auch wenn wir da gerade einen vorsichtigen Wandel beobachten, der auf einer bedauerlichen Tatsache beruht: Die Catererlandschaft hat sich in den letzten Jahren extrem ausgedünnt, insbesondere bei den kleinen und mittelständischen Betrieben. Das hat vor allem in ländlichen Regionen zu einer Knappheit und insgesamt zu einer Zentralisierung auf größere Unternehmen geführt. Ich würde insgesamt von einem Verlust von 15 bis 20 % der Unternehmen ausgehen, die in den letzten fünf Jahren aufgegeben haben.
Worin ist das begründet?
Viele Caterer waren durch die Bedingungen während der Pandemie bereits sehr geschwächt. Eine weitere Begründung, die wir immer wieder hören: Es lohnt sich nicht mehr, wir werden nicht kostendeckend bezahlt. Es ist häufig der unsägliche Preiskampf, der gerade kleinere Betriebe zermürbt. Viele Kommunen haben auch deshalb Schwierigkeiten, überhaupt einen Caterer zu finden.
Mehr Augenhöhe zwischen den Vertragsparteien: Wie kann Ihr Verband unterstützen?
In den vergangenen zwei Jahren ist unser Verband deutlich gewachsen; ein klares Zeichen dafür, dass viele Betriebe sich nach einer gemeinsamen Stimme sehnen. Diese Stimme zu bündeln, ihr Gehör zu verschaffen und ihr spürbares Gewicht in politischen und vertraglichen Aushandlungen zu verleihen, ist unser zentrales Anliegen. Wir wollen für Fachbetriebe der Kita- und Schulverpflegung nicht nur Sprachrohr, sondern auch strategischer Partner sein. Wir bündeln die gemeinsamen Interessen, vertreten sie öffentlich und setzen uns dafür ein, dass Vertragsverhältnisse auf Augenhöhe gestaltet werden.
Schauen wir auf den Personal- und Fachkräftemangel: Wie stellt sich das für Ihre Branche dar?
Vermutlich wird das ein Baustein sein, der die Zentralisierung unserer Branche weiter vorantreibt. Gleichzeitig sehe ich aber eine gegenläufige und hoffnungsvolle Entwicklung: Sich neu gründende Unternehmen oder Start-ups mit einer enormen Innovationskraft, die mit tollen Konzepten arbeiten. Die sind regional aufgestellt und richten den Blick auf die gesamte Versorgung in einer Region. Für die meisten dieser Start-ups ist bio und regional nicht angelernt, sondern wird gelebt. Es wächst da eine neue Unternehmensgeneration, die auch viel technikaffiner ist. Mein Eindruck ist, dass diese Unternehmen nicht so sehr vom Personal- und Fachkräftemangel betroffen sind, weil sie kleiner und dichter am Kunden sind und viel stärker mit ihrer unmittelbaren Umgebung vernetzt sind. Das ist für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen identifikationsstiftend und attraktiv.
An der Kita- und Schulverpflegung sind viele Akteure beteiligt, die unter unterschiedlichen Anforderungen aktiv sind. Wie lässt sich unter diesen Voraussetzungen ein professionelles Verpflegungsmanagement realisieren?
Es braucht ein gemeinsames Ziel und einen gemeinsamen Willen. Wir sehen in den Schulen, dass sie mit schwierigen Bedingungen konfrontiert sind: sei es mangelnde Technik, fehlende Räumlichkeiten, Lehrkräftemangel oder nur der Busfahrplan, der nicht zur Mittagspause passt. Trotzdem fast alle Schulen mit diesen Bedingungen kämpfen, sehen wir einen Unterschied bei denjenigen Schulen, die sich sehr dafür engagieren, ihre Schulverpflegung besser zu machen. Das fängt bei Mensaausschüssen an und hört bei der Beschaffung digitaler Technik auf. Es ist der Wille, der zählt.
Welche Maßnahmen können außerdem helfen, den Professionalisierungsgrad weiter zu verbessern?
Für die organisatorischen Abläufe sehen wir die Schulleitungen in der Pflicht. Aber klar ist auch: Jede Schulleitung ist ein König ohne Reich, wenn der Schulträger nicht dafür sorgt, dass Küche und Mensa angemessen ausgestattet sind. Mit der Finanzierung stehen und fallen viele Maßnahmen. In der Schulverwaltung oder in der Politik muss verstanden werden, dass alle Akteure von grundsätzlichen Voraussetzungen abhängig sind, damit Schulverpflegung gut läuft. Schulleitungen und Eltern haben dort aber leider zu selten eine Lobby.
Mit Blick auf die anstehende Umsetzung des Rechtsanspruches für Ganztagsbetreuung in Grundschulen: Welchen Rat geben Sie Schulträgern?
Der wichtigste Rat: sich Fachkompetenz ins Boot zu holen. Außerdem Arbeitsgruppen zu bilden, die über den Tellerrand schauen und die benötigten Verpflegungsstrukturen vor Ort ganzheitlich betrachten. Also, lassen sich Strukturen schaffen, die möglichst viele Schulen und Kitas versorgen, die Senioreneinrichtungen oder Geflüchtetenunterkünfte einbeziehen? Möglichst frühzeitig mit Caterern ins Gespräch gehen, sofern nicht in Eigenregie versorgt werden soll. Es ist höchste Zeit, dass sich Kommunen jetzt damit auseinandersetzen, und zwar insbesondere Kommunen in den westlichen Bundesländern, die durch den Rechtsanspruch sehr viel stärker gefordert sein werden, als Kommunen in östlichen Bundesländern, in denen schon eine hohe Betreuungsquote vorherrscht. Wir als Verband haben unsere Kolleginnen und Kollegen frühzeitig fit gemacht und aufgeklärt, an wen sie sich wenden müssen, wo Ausschreibungen und Investitionsvorhaben veröffentlicht werden, damit sie proaktiv auf Schulträger zugehen können.
Welche strukturellen Veränderungen halten Sie grundsätzlich für erforderlich?
Als ein Good Practice für gute Verpflegungsstrukturen möchte ich die Hochschulgastronomie nennen. Wir sehen dort tolle und innovative Mensen, ein attraktives Menüangebot, eine gut bezahlte Belegschaft und hohe Subventionen, sogar eine Mehrwertsteuerbefreiung. Günstige und gute Mahlzeiten sind hier für 2 bis 3 Euro erhältlich. Und wir fragen uns, warum das in der Kita- und Schulverpflegung nicht möglich ist. Die Organisationsform der Studierendenwerke wäre aus unserer Sicht eine Blaupause für eine Verbesserung: Wir könnten auf Länderebene Verpflegungswerke Kita- und Schulverpflegung etablieren, die die Verpflegung nicht mehr ausschreiben müssen und die uns als Caterer beauftragen. Diese Verpflegungswerke könnten durchaus bei den Vernetzungsstellen Kita- und Schulverpflegung angesiedelt sein. Eine andere Möglichkeit wäre, dass solche Verpflegungsbetriebe als eine eigene Fachbehörde direkt bei den Schulträgern tätig sind. Zusammengefasst kommt es uns darauf an, dass wir es mit Menschen auf Fachebene zu tun hätten und nicht mehr auf Verwaltungsebene.
Wen sehen Sie dafür in der Verantwortung?
Wir wollen auf Bundesebene mit dem Bundesernährungsministerium und dem Bundesbildungsministerium ins Gespräch kommen. Es geht uns darum, für ein grundsätzliches Verständnis für eine Verpflegung in öffentlichen Einrichtungen zu werben. Wir suchen deshalb den Austausch auf höchster Ebene, damit überhaupt klar wird, wo wir mit einer Qualitätsentwicklung ansetzen müssen. Wir wollen auch deshalb auf Bundesebene ansetzen, weil unsere Bemühungen in den Ländern ins Leere laufen – diese verweisen auf den Bund, vor allem, wenn es um Finanzierungsfragen geht. Dieser durch den Föderalismus bedingte Verschiebebahnhof der Verantwortung von Bund auf Länder und zurück ist extrem hinderlich, so kommen wir nicht weiter. Wir brauchen einheitliche und verlässliche Strukturen, die nicht mit jeder Haushaltsdebatte wieder in Frage gestellt werden.
Mit welchen Schwerpunkten wird sich Ihr Verband für eine Qualitätsentwicklung in der Kita- und Schulverpflegung künftig engagieren?
Wir wollen Ansprechpartner für die Bundespolitik werden. Und natürlich unseren Gründungsgedanken präsent halten, eine Plattform für den Austausch und die Vernetzung unserer Mitglieder zu sein. Mich begeistert es sehr, wie unsere Mitglieder sowohl auf unseren Verbandstagen als auch bilateral ihre Erfahrungen austauschen und voneinander profitieren. Es ist mir wichtig, dass wir uns in der Verbandsgemeinschaft untereinander kennen und füreinander erreichbar sind. Ich kann nur alle Kita- und Schulcaterer in Deutschland einladen, sich bei uns einzubringen und das Wissen und die Erfahrung aller Mitglieder zu nutzen.
Wir möchten als Verband unabhängig bleiben und auch weiterhin mit relevanten Akteuren wie dem Bundeszentrum Kita- und Schulverpflegung und den Vernetzungsstellen zusammenarbeiten. An dieser Stelle geht unser ausdrücklicher Dank an die Kolleginnen und Kollegen. Wir sehen uns sowohl vom Bundeszentrum als auch von den Vernetzungsstellen sehr unterstützt, die Qualität der Kita- und Schulverpflegung gemeinsam nach vorn zu bringen.
Vielen Dank für das Gespräch! Das Interview fand im Mai 2025 statt.