Bei einem Schulausflug laufen Schulkinder mit ihren Rucksäcken durch den Wald.
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Schulessen: Bürokratie erschwert Inanspruchnahme von Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket

Das Bildungs- und Teilhabepaket ermöglicht Kindern und Jugendlichen aus Familien mit Sozialleistungsbezug soziale und kulturelle Teilhabe und mehr Bildungschancen. Auch die Kosten für das Mittagessen in Kita oder Schule werden übernommen. Untersuchungen zeigen jedoch, dass Bürokratielasten die Inanspruchnahme erschweren. Das gilt auch für das Schulessen.

In ihrem Report „Bürokratielasten von Bildung und Teilhabe. Sachstand und Perspektiven der kommunalen Verwaltungspraxis im Ruhrgebiet“ hat die Ruhruniversität Bochum das System der steuerfinanzierten Sozialleistungen durch das Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) untersucht. Damit wollen die Fachleute zu einer Entbürokratisierung sozialer Leistungserbringung beitragen. Die Studie stützt sich auf acht Experteninterviews sowie auf eine quantitative Vollerhebung aller BuT-Verwaltungen (Jobcenter und Kommunen) im Ruhrgebiet. Die Studie kommt zu folgenden zentralen Ergebnissen:

  • Die BuT-Leistungen werden bislang oft noch viel zu wenig in Anspruch genommen, u.a. weil das Wissen um die Berechtigung fehlt oder weil die damit verbundenen Verwaltungsprozesse abschreckend wirken.
  • Die Kommunen und Jobcenter als BuT-vollziehende Verwaltungen haben durch die Gestaltung ihrer Verwaltungsverfahren erheblichen Einfluss auf die Bürokratielasten von Familien sowie Schulen, Vereinen und Anbietern.
  • Je nach Kommune sind teils völlig unterschiedliche Verwaltungen für BuT zuständig, so etwa die Jobcenter, Sozial-, Schulverwaltungs- und/oder auch Jugendämter. In einigen Kommunen ist die Zuständigkeit für BuT-Berechtigte aus allen Rechtskreisen (u.a. Bürgergeld, Sozialhilfe und Asylbewerberleistungen) in einer einzigen Organisation gebündelt, vielfach aber auch nur teilweise, so dass sich für die verschiedenen Rechtskreise unterschiedliche kommunale Stellen verantwortlich zeigen. Die Folge ist eine komplexe Aufgabenorganisation, die sich nur schwer gesamtstrategisch steuern lässt.
  • Obwohl gesetzlich nicht verpflichtend, sind schriftliche BuT-Antragsverfahren noch immer Standard in der Verwaltungspraxis.
  • Die Kommunen im Ruhrgebiet weisen teilweise deutliche Unterschiede in den Bewilligungspraktiken auf, sogar innerhalb der Kommune je nach verantwortlicher Stelle. Einzelne Kommunen haben eigene, zusätzliche Kriterien für eine Bewilligung eingeführt.
  • Die Art und Weise, wie BuT-Leistungen erbracht oder ausgezahlt werden, ist zwischen den Kommunen sehr unterschiedlich (z. B. Bezahlkarten, Gutscheinsysteme etc.).

BuT-Leistung Schulessen

Für die Abrechnung der BuT-Leistung „Gemeinschaftliches Mittagessen“ sind die Speisenanbieter an die jeweils verantwortliche Institution in der Kommune gebunden. Die Untersuchung zeigt, dass das Mittagessen grundsätzlich ohne weitere Prüfung in voller Höhe bewilligt wird, auch weil die finanzielle Höhe der Mittagsverpflegung nicht gedeckelt ist (Vollfinanzierung). Als problematisch erweisen sich unterschiedlich hohe Mahlzeitenpreise je nach Anbieter oder Einrichtung und die Berücksichtigung weiterer Vergünstigungen durch Kommune, Hilfefonds oder Fördervereine, die preiswirksam sind.

Bürokratielasten abbauen

Als wichtige Stellschrauben für bürokratieärmere Verfahren und damit für eine Erhöhung der Inanspruchnahme erachten die Fachleute der Ruhruniversität Bochum die Reduktion von Antragsbürokratie und Nachweispflichten, die Bündelung der BuT-Zuständigkeit aller Rechtskreise und die Einführung von Bildungskarten. Dass Bewilligungspraktiken kommunal sehr unterschiedlich gehandhabt werden, obwohl eine bundesrechtliche Norm umgesetzt wird, sei ein problematischer Befund. Dadurch würden Regeln in manchen Kommunen deutlich restriktiver gehandhabt als in benachbarten Städten.

IN FORM-Projekt: Geringe Inanspruchnahme von Schulessen

Ein durch den Nationalen Aktionsplan IN FORM gefördertes Projekt der Vernetzungsstelle Schulverpflegung Niedersachsen kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Die Vernetzungsstelle hat die Organisationsabläufe in sieben Projekt-Kommunen in Niedersachsen bei der Beantragung und Inanspruchnahme der BuT-Leistung „Gemeinschaftliches Mittagessen“ untersucht. Berechnungen der Expertinnen auf Basis von Daten der Bundesagentur für Arbeit zeigen, dass die Leistung „Gemeinschaftliches Mittagessen“ von deutlich weniger Kindern und Jugendlichen genutzt wird, als anspruchsberechtigt: die Inanspruchnahmequote lag im Jahr 2024 für Schüler*innen im Alter von 6 bis unter 15 Jahren bundesweit im Durchschnitt bei 44 %. Damit handelt es sich um die höchste Quote in den letzten fünf Jahren (2020: 41 %).

Hohe Komplexität: Vielzahl an Verfahrensschritten

Die Gründe sind vielfältig, so der Projektbericht, und reichen von fehlender Erstinformation über Hürden bei der Antragstellung und Essensbestellung für die Familien bis hin zu Herausforderungen bei der Abrechnung zwischen Verpflegungsanbietern und Behörden. Die hohe Komplexität und die Vielzahl an Verfahrensschritten und Interaktionen, die für die Beantragung der Leistung BuT-Schulessen notwendig sind, skizziert nebenstehende Grafik. Erforderlich ist ein hoher Kommunikationsaufwand zwischen den Beteiligten, um den Prozess fach- und sachgerecht zu steuern. Damit das besser gelingt, hat die Vernetzungsstelle Schulverpflegung Niedersachsen umfangreiche Handlungsempfehlungen und Arbeitshilfen für Kommunen, Leistungsbehörden und sonstige beteiligte Akteure erstellt, die bundesweit genutzt werden können.

 

Ein Schuljunge mit kurzen blonden Stoppelhaaren sitzt verschmitzt lachend auf einer Holzbank vor seiner Schule und hält ein angebissenes Butterbrot in der Hand. Neben sich steht sein roter Schulrucksack.
Vernetzungsstelle Schulverpflegung Niedersachsen

BuT: Hürden abbauen und Teilnahme erhöhen

Das Materialpaket bietet Hintergrundinformationen, Handlungsempfehlungen, Schritt-für-Schritt-Anleitungen und mehrsprachige Flyer-Vorlagen, um die Teilnahme zu erhöhen.

Quellen

  • Zentrum für interdisziplinäre Regionalforschung (ZEFIR), Fakultät für Sozialwissenschaft, Ruhr-Universität Bochum: ZEFIR-Materialien Band 29 (Mai 2025) Jörg Bogumil, Philipp Gräfe: Bürokratielasten von Bildung und Teilhabe – Sachstand und Perspektiven der kommunalen Verwaltungspraxis im Ruhrgebiet
  • Vernetzungsstelle Schulverpflegung Niedersachsen: IN FORM-Projekt „Schulmittagessen für Bildung­ und Teilhabe (BuT)­ berechtigte Schüler*innen – Hürden abbauen, Teilnahme erhöhen
  • Vernetzungsstelle Schulverpflegung Niedersachsen: Arbeitshilfe zur Berechnung von Kennzahlen zur Inanspruchnahme
  • Statistik der Bundesagentur für Arbeit: Bildung und Teilhabe Jahreszahlen (Stand 20.05.2025)
  • Reif D, Jonas A: Kostenfreies Schulmittagessen aus dem Bildungspaket – Hürden abbauen, Teilnahme erhöhen. Ein IN FORM-Projekt in Trägerschaft der DGE e. V. Vernetzungsstelle Schulverpflegung Niedersachsen. Ernährungs Umschau 2025; 72(6): M382–6. DOI: 10.4455/eu.2025.028

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